Oder
How to teach...
Yoga!
Bin ich gut so wie ich bin? Mache ich es richtig und kann ich wirklich auf meine Fähigkeiten vertrauen?
Viele von euch kennen diese Fragen bestimmt auch und stellen sie sich vielleicht genauso häufig wie ich es tue. Und auch wenn ich mir die Fragen eigentlich gar nicht stellen will, wenn ich doch eigentlich auf mein Können und auf mich selbst vertrauen möchte, läuft auf meiner Festplatte dieses ALT-erlernte Programm in Dauerschleife ab und frisst wahnsinnig viel Akku.
Reicht mein Können und Wissen, reichen meine erlernten Skills aus, um das was mir wichtig ist gut zu machen? So gut, dass ich wirklich und aufrichtig mit mir selbst zufrieden bin?
Ich - meine schärfste Kritikern? Bin ich gut so, wie ich bin? Als Yogalehrerin zum Beispiel.
Genauso fing dieser Blogeintrag eigentlich & ursprünglich an. Und mit genau dieser Frage im Kopf habe ich den Text auch fertig geschrieben.
Eigentlich.
Ursprünglich.
Denn ganz am Ende des Textes, nach alldem nachdenken & analysieren, dem fließen lassen der Gedanken und dem Entstehen der Worte und Sätze, hat dieser Text eigentlich in seiner ursprünglichen Form keine Bedeutung mehr. Und trotzdem bleibt er hier. Als Erinnerung an mich - damit der Akku nicht mehr leer läuft. Und natürlich auch als Input für euch.
So Leute. Ihr habt nun die Wahl (wie so oft im Leben). Folgt meinen Gedanken und Worten in diesem Text oder - scrollt direkt zum Ende des Textes - zum Shortcut.
Make a choice - now.
eXTENDED VERSION
Also noch mal von vorn: Bin ich gut so wie ich bin? Mache ich es richtig und kann ich wirklich auf meine Fähigkeiten als Yogalehrerin vertrauen?
Wenn ich diese Frage nun für mich also unbedingt beantworten möchte, braucht es zu allererst eine Definition. Was eigentlich bedeutet gut, was macht (für mich) eine gute Yogalehrerin einen guten Yogalehrer aus?
DIE BASIS - die Yogalehrer-Ausbildung
Ganz Wissenschaftlerin suche ich mir zu erst prüfbare Eckdate. In diesem Fall - die Ausbildung, die Basis also.
Yogaunterrichtende brauchen ein gutes und solides Fundament auf dem die eigene Praxis und später auch der Unterricht aufgestellt sind. Und dieses Fundament darf weder zu wackelig, noch zu dünn sein. In der Regel werden der Umfang und die Dauer einer Yoga-Ausbildung in Ausbildungsstunden belegt, dabei ist es irrelevant in welchem Zeitraum die Stunden absolviert wurden. Denkbar ist alles was geht - Intensiv-Ausbildung in einem kurzen Zeitraum, Ausbildungen mit Wochenend-Module oder über einen längeren Zeitraum einmal wöchentlich.
Die gängigen Ausbildungen reichen von 200 bis 500 (selten auch mehr) Stunden und sind manchmal noch mit einem Kürzel gekennzeichnet. Das Kürzel BDY zum Beispiel steht für den Berufsverband der Yogalehrenden in Deutschland, das Kürzel DBYA für Deutscher Berufsverband der Yogalehrenden. Ist die Ausbildung in einem Verband akkreditiert, bedeutet es das die Yogalehrerin oder der Yogalehrer eben den Anforderungen des jeweiligen Verbands entspricht. Eine nicht ganz unwichtiger Hinweiß, ist der Begriff „Yogalehrer“ in Deutschland nicht geschützt!
Um alle Teilaspekte wirklich intensiv und nachhaltig erlernen zu können, ist aus meiner Sicht die 500h Ausbildung ein Muss. Welche Inhalte in einer Yoga-Ausbildung wieviel Raum bekommen, hängt von den ausbildenden Schulen ab.
Folgende Themen sind aber Inhalt der meisten Ausbildungen:
Yoga Philosophie mit den wesentlichen Schriften
Einführung ins Sanskrit/Begrifflichkeiten
Basiswissen zur menschlichen Anatomie
Methoden (Asanas, Pranayama, Meditation)
Basiswissen zum Nervensystem und Stressregulation
Didaktik und Aufbau von Stunden
Und natürlich eine ausgiebige eigene Yogapraxis
Die praktischen Erfahrungen machen neben allen theoretischen Inhalten den Hauptteil der meisten Ausbildungen aus.
Wie ihr euch also vorstellen könnt, braucht es um in alle die oben genannten Themen und die Theorie dahinter einzusteigen und sie vielleicht auch zu vertiefen Zeit. Viel Zeit.
Noch viel mehr Zeit aber braucht die Entwicklung einer eigenen und nachhaltigen Yogapraxis. Sie lässt sich nicht von heute auf morgen erlernen, sondern bedeutete eine persönliche und körperlich Entwicklung die nur über eine entsprechende Zeit statt finden kann. Transformation ist das Zauberwörtchen hier - und Leute, nach die ist mit dem Zertifikat am Ende der Ausbildung definitiv nicht abgeschlossen. Aber auch das Starten der Transformation braucht Zeit. Ein Argument (für mich) also für eine ausführliche und langfristige Ausbildung.
Gut bedeutet zu allererst also mal, eine solide Basis zu haben. Eine qualifiziere Ausbildung die einen Rahmen steckt und Yogalehrenden den Raum bietet sich intensiv und ausführlich mit den vielen Facetten und Lehren des Yoga auseinanderzusetzen und eine eigenen Yogapraxis zu etablieren.
Indienreise?
Ich selbst war (bis heute) nie in Indien und denke auch, dass es nicht unbedingt notwendig ist, um hier in Deutschland guten Yogaunterricht anbieten zu können. Dennoch ist es ein kleiner, großer Traum auch diese Reise einmal anzutreten. Einerseits um das Land, die Menschen und den Ursprung des Yoga zu erfahren, meiner Reiselust nach zukommen. Andererseits aber auch ganz klar, um meinen eigenen Ansprüchen zu genügen!
Unterrichte was du praktizierst
Es ist nicht nötig, alle Ananas zu kennen oder gar zu können, jeden Tag in stundenlanger Meditation versunken zu sein oder alle Yamas & Niyamas immer konsequent zu leben. Auch ich gehöre mit Sicherheit nicht zu den flexibelsten und beweglichsten Yogis auf diesem Planeten und der Handstand (Adho Mukha Vrikshasana) stellt eine nicht zu bewältigende Herausforderung dar, die ich vermutlich in diesem Leben nicht mehr meistern werden (egal wie sehr ich transformiere oder heißt es mich transformiere?). Und das ist total ok.
Adho Mukha Vrikshasana sucht man in meinen Stunden demnach auch vergeblich. Ich unterrichte niemals was ich nicht selbst regelmäßig praktiziere. Ich leite nur an, was ich selbst erfahren und gespürt habe. Das betrifft nicht nur die Körperübungen, sondern selbstverständlich auch Pranayama und Meditation. Wie ihr seht, heißt Yoga zu unterrichten nach meiner Definition ganz klar auch Yoga zu praktizieren und zu leben. Eine Yogalehrerin die nur doziert und keine eigenen Erfahrungen sammelt wird wohl eher ein Tonband bleiben und die Yogis in den Stunden nicht nachhaltig unterrichten und erreichen.
Gut und authentisch ist eine Yogalehrerin also dann, wenn sie weiß wovon sie spricht, wenn sie gespürt und erlebt hat was sie lehrt.
Leute, wenn wir diesen Punkt also weiter denken, dann heißt es also auch, dass sich der Yogaunterricht verändern wird, eben genauso wie sich der Yogalehrer eben weiter entwickelt. Es kommen neue Aspekte, neue Erkenntnisse dazu. Das können Asanas sein (vielleicht schaff ich den Handstand ja doch irgendwann), es können Unterrichtsmethoden und Yogastile sein. Who knows - und das ist doch das Schöne daran!
Wenn ich dabei an mich und meinen Unterricht denke, so nimmt die Meditation einen immer großen Raum ein. Wo vor einigen Jahren gar keine bis wenig Meditation in den Stunden stattgefunden hat, so liebe ich es mittlerweile in den Stunden auf eine ausgiebige Meditation hin zu arbeiten. Vor allem in meinen Workshops zu definierten Themen übernimmt die Meditation den wichtigsten Part. Und das liegt eben auch daran, dass eine regelmäßige Meditationspraxis in mein Leben einzugehalten hat und ich sie aus tiefstem Herzen und voller Überzeugung lehren und teilen möchte.
Alle LEHRENDEN SIND IMMER AUCH sCHÜLER*innen
Als Yogalehrerin darf ich also an meiner eigenen Entwicklung arbeiten. Darf dran bleiben und immer auch selbst Schülerin bleiben. Ich würde sogar soweit gehen und sagen - als Lehrende solltest du unbedingt Schülerin bleiben!
Ich selbst bleibe also auch weiterhin Schülerin, besuche Yogastunden und Workshops, Meditationsseminare und Retreats. Dabei höre ich, wen ich regelmäßig Yogaklassen besuche, immer auf mein Gefühl. Fühle ich mich in den Stunden aufgehoben, habe ich das Gefühl, dass die Lehrkraft sicher ist in dem was sie tut und weiß wovon sie spricht, oder hört es sich noch Tonband an. Mein Bauchgefühl und mein Wohlbefinden sind die besten Indikatoren.
Und auch wenn mein Gefühl ein Gutes ist und du mir sicher bin gut aufgehoben zu sein in meinem Schülerinnen-Modus - ein kurzer Check, auf welchem Fundament der Unterricht steht schadet niemals!
Gut bedeutet für mich also, dazu zu lernen und offen für Neues zu sein und zu bleiben. Denn nur weil ich mich einmal für einen Stil entschieden hast, heißt es nicht, dass ich dabei bleiben musst. Wir alle ändern uns ständig, entwickeln uns weiter. Yogalehrende sollten unbedingt weiter lernen und zulassen, dass sich der Unterricht mit damit auch weiterentwickelt.
HAPPY skills - HAPPY YOGA
Gibt es also dieses stabile Fundament und eine Offenheit für Neues, dann fehlt nur noch das Sahnehäubchen - das was die Persönlichkeit ausmacht.
Und um ehrlich zu sein, ist das das der schwierigste Teil der Geschichte. Es ist der Teil für den es kein Siegel, keine Zertifizierung oder prüfbare Fakten gibt.
Die Fragen die sich dabei stellen sind oft nicht ganz so leicht zu beantworten.
Was liegt mir? Welche meiner Skills und Fähigkeiten kann ich wie für meinen Unterricht einsetzen?
Sind es große Gruppen in denen die Lehrkraft mit einer ausgeprägten Präsenz auch den hintersten Yogi erreicht. Oder sind es vielleicht die kleinen Gruppen, in denen die Lehrkraft jeden einzelnen Teilnehmenden sieht und auf die individuellen Bedürfnisse eingehen kann.
Ist es eine Detailverliebtheit und die ungewöhnlichen Kenntnisse von Anatomie innerhalb der Asanas die den Unterricht besonders machen, oder liegt der Fokus auf der Meditationspraxis, Pranayama oder gar auf spirituellen Aspekten.
Genau wie alle Lernenden entscheiden können, welche Art der Yogaklassen ihnen entspricht, so können und sollten auch alle Lehrenden sich mit dem auseinander setzten was ihnen liegt und dabei sie selbst bleiben. Mit allem was sie mitbringen - mit ihrer ganzen Persönlichkeit.
Und was wäre die Sahne ohne Kirsche? Leute, die gehört auf jeden Fall auf oben drauf ist aber alles andere als selbstverständlich. Die Kirsche ist die Verbindung zwischen den Lehrenden und dem Lehrenden- eine echte zwischenmenschliche Verbindung die auf Offenheit und Empathie beruht, eine Verbindung bei der man sich in die Augen schaut und das Gegenüber wirklich sieht. Eine solche Verbindung ist aus meiner Sicht die Kirsche auf dem Kuchen und kann (und muss!) nicht immer da sein. Wenn sie es aber ist, wird es magisch und der Yoga bekommt eine neue Qualität. Und was wären wir, wenn wir nicht alles vom Leben wollten (wie schon Simone de Beauvoir es so wunderbar formuliert hat).
Fazit extended version
Gut bedeutet also nicht, dass die Yogalehrkraft gut Yoga machen kann, alle Asanas beherrschst oder den perfekten Handstand vorführt. Gut bedeutet auch nicht schlank und flexibel zu sein. Oder die gesamte Yoga Philosophie aus dem ff rezitieren zu können.
Gut bedeutet für mich auf jeden Fall auf einer solide Basis in Form einer seriösen und umfänglichen Ausbildung aufbauen zu können und als Yogalehrerin das zu lehren was ich selbst auch praktizieren.
Gut beutet für mich auch, sich selbst zu kennen und mit sich in Verbindung zu sein, nicht stehen zu bleiben, offen und neugierig für Neues zu sein und zu bleiben.
Richtig gut wird’s mit einem Schlag Sahne oben drauf, nämlich dann, wenn die eigene Persönlichkeit Teil des Unterrichts wird und der Unterricht damit authentisch ist. Die zwischenmenschliche Verbindung in Form der Kirsche setzte ich noch oben drauf - sie lässt sich nicht erlernen oder in Form von Zertifikaten und Zusatzausbildungen erwerben - sie ergibt sich aus den Menschen die zusammen die Yogaklasse teilen und die Energie die sie umgibt.
SHORTCUT
Worauf es am Ende aber eigentlich (und fast ausschließlich*) ankommt ist, sich nicht ständig von der inneren Kritikerin, der intrinsischen Richterin be- und verurteilen zu lassen - ständig und immerzu ihren Bewertungen zu unterliegen.
Vielmehr heißt es loszulassen von eigenen schwarz-weißen Denkmustern die das Selbst, die eigenen Fähigkeiten in gut oder nicht-gut einteilen. Es heißt auch Prägungen zu erkennen und sie zu akzeptieren. Aus Akzeptanz folgt Loslassen (hierzu gibt’s bald einen eigenen Blogeintrag). Prägungen zu aktzeptieren und sich nicht gegen sie zu wehren nimmt ihnen die Kraft, lässt sie kein Nährboden für inneres urteilen mehr sein.
Wo ein Innen, da immer auch ein Außen. Yogapraktizierende habe Erwartungen an Lehrende und das ist ok. Sie urteilen und bewerten. Auch das ist ok. Aber nicht alle extrinsischen Erwartungen müssen (und können!) erfüllt werden. Und damit meine ich nicht überhaupt keine Kritik zuzulassen und anzunehmen, sondern vielmehr sich klar zu machen, dass der eigene Stil, das eigene Selbstverständnis des Yogaunterrichtens eben nicht für alle Menschen passt und das das ok so ist.
Wenn das Innen nicht mehr urteilt und das Außen in Akzeptanz verweilt, dann stellt sich die Frage nicht mehr.
Die Frage, bin ich gut wie ich bin?
Sie existiert nicht mehr.
Dann bin ich einfach nur!
Yogalehrerin. Punkt.
*Psst…. Eine gute Basis in Form einer guten, soliden und seriösen Ausbildung bildet natürlich das Fundament auf dem ihr sicher Sein könnt. (Verlinkung mit Abschnitt Ausbildung/Zertifikate).
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