Die Bandhas im Yoga
- Christina

- 26. Nov.
- 6 Min. Lesezeit
Brücke zwischen Yogaphilosophie & Yogapraxis
Dass Yoga viel mehr als der Baum, der Hund und die Kobra ist, hat sich allgemein rumgesprochen. Dabei rutschen mentale Praktiken wie Meditation und Achtsamkeitsübungen immer mehr in den Fokus und auch Atemübungen (neudeutsch: breathwork – oder yogisch: Pranayama) sind fester Bestandteil der meisten Yogaklassen. Wie die Atemübungen aber wirken und was sie mit unserem energetischen Körper zu tun haben, verliert sich dabei allerdings oft im Hintergrund.Dennoch: Yoga ist immer auch Energiearbeit, egal ob wir durch herausfordernde und ruhige Asanas fließen, meditieren oder Atemübungen praktizieren. Sie findet unbemerkt statt und sorgt dafür, dass wir uns nach der Yogapraxis je nach Ausrichtung entspannt, wach, ruhig oder eben energetisiert fühlen.

Bandhas bedeutet so viel wie Energieverschluss, dabei ist der Begriff Energie im Yoga oft gleichbedeutend mit Prana - der Lebensenergie. Prana fließt durch unseren Körper in Energiekanälen, den Nadis. Diese durchziehen unseren feinstofflichen Körper, leiten die Energie und bündeln sie in den Chakras – den Energiezentren entlang der Wirbelsäule.
Der Begriff Prana kommt dir sicherlich bekannt vor – genau, von Pranayama – den Atemübungen.Und vielleicht auch von dem Pancha-Kosha-Modell, in dem unser Dasein in fünf Schichten eingeteilt wird, von denen eine eben Pranamaya Kosha ist – also die Energiehülle.
Wenn du mehr über das Pancha-Kosha-Modell wissen möchtest, lies doch gern im Blog-Artikel nach "PANCHA KOSHA" nach.
Die Bandhas sind ein Werkzeug, die Arbeit mit der Energie in den Fokus der Yogapraxis zu rücken.
Für mich sind sie die Brücke zwischen dem energetischen und physischen Körper – Energielenkung durch körperliche Aktion also!
Die drei wichtigsten Bandhas sind:
1.) Mula Bandha – der Wurzelverschluss
2.) Uddiyana Bandha – der Bauchverschluss
3.) Jalandhara Bandha – der Halsverschluss
Setzt man alle drei Bandhas zusammen, so sprechen die Yogis von Maha Bandha, dem großen Verschluss.
Die Bandhas liegen auf unserer energetischen Ebene, haben aber eine körperliche Entsprechung, und das macht sie so spannend für unsere Praxis.
Mula Bandha
Mula Bandha ist der Wurzelverschluss. Stellst du dir deine Sitzbeinhöcker und das Ende deines Steißbeins in einem Dreieck vor, dann kannst du ungefähr erahnen, wo Mula Bandha liegt. Es sind die Muskeln unseres Beckenbodens, mit denen wir den Wurzelverschluss aktivieren können. Wichtig ist: Mula Bandha ist kein Muskel, wir nutzen nur die Muskelkontraktion, um Mula Bandha zu aktivieren. Auf der energetischen Ebene soll Mula Bandha verhindern, dass die Energie unkontrolliert nach unten abfließt (Apana Vayu).
Wieso das sinnvoll ist? Ein Ziel im Yoga ist es, die Energie nicht nur im Körper zu halten, sondern sie zu maximieren und nach oben zu lenken. Ziel ist eben die Erleuchtung.
Auf der körperlichen Ebene sorgt Mula Bandha für ein Gefühl von Stabilität und Aufrichtung und hilft der gesamten Rumpfmuskulatur, stabil zu sein.
Dabei arbeiten die Muskeln des Beckenbodens nicht allein. Sie sind mit den inneren Oberschenkelmuskeln weiter hinab zu den Innenseiten der Füße und dem großen Zeh verbunden. Genauso arbeiten sie mit den Rumpfmuskeln in Bauch und Rücken zusammen. Mula Bandha definiert also auch unsere innere Achse, unsere Mitte. Kein Wunder also, warum Mula Bandha in anspruchsvollen Flows oder in herausfordernden Standhaltungen für Halt und Stabilität sorgt.
Mula Bandha ist mit Sicherheit das Bandha, das ich relativ häufig in die Praxis integriere, oft auch ohne es direkt beim Namen zu nennen. Aber für eine gute und gesunde Ausrichtung des Körpers ist es unabdingbar.
Mula Bandha - Übung
Komm in einen Fersensitz. Die Atmung fließt in den Brustraum. Du weitest mit der Einatmung den Brustkorb und atmest entspannt aus.Vertiefe die Atmung langsam. Mit der nächsten Ausatmung nimmst du sanft die Bauchdecke etwa zwei Fingerbreit unterhalb des Bauchnabels nach innen.Beobachte: Was passiert in deinem Becken, wenn du so ausatmest? Gibt es da ein Gefühl?Lenke die Aufmerksamkeit ganz tief ins Becken. Spüre, wie sich im Becken Kraft entwickelt.Verstärke diese Aktion jetzt. Versuche dabei nicht, die Muskeln zusammenzukneifen, sondern erfahre vielmehr ein Aufnehmen – Ansteigen.Erfahre Mula Bandha ganz natürlich.Praktiziere die Übung für fünf Atemzüge. Mache eine Pause. Atme entspannt.Drei Wiederholungen.
Uddiyana Bandha
Der Bauchverschluss ist kein eigentlicher Verschluss, sondern mehr ein Netz, das Energie kontrolliert weiter nach oben lenkt. Anatomisch liegt es im oberen Bauch und Zwerchfell. Es gilt als das stärkste der drei Bandhas und ist sowohl auf der körperlichen Ebene anspruchsvoll zu aktivieren als auch auf der energetischen Ebene superanregend und energetisierend.
Energetisch sorgt Uddiyana Bandha dafür, dass die Energie im Brustraum frei zirkulieren kann. Es lenkt die Energie weiter nach oben, entlang Sushumna.
Uddiyana Bandha aktivierst du während der Ausatmung. Dazu saugst du den Bauchnabel während der Ausatmung sanft nach innen und oben. Das aktiviert deine Bauchmuskeln und das Zwerchfell wird in den Brustraum gezogen.
Besonders spannend und anspruchsvoll wird Uddiyana Bandha, wenn du es in der Atemleere praktizierst, also in der Atempause nach der vollständigen Ausatmung. Dabei dehnst du die Pause aus und saugst das Zwerchfell weiter in den Brustkorb. Die kommende Einatmung sollte langsam und kontrolliert fließen. Den Effekt von Uddiyana Bandha spürst du vor allem im Brustraum, auch wenn die Muskeln des Bauches dich bei der Aktivierung unterstützen.
Jalandhara Bandha
Der Kehlverschluss ist ähnlich wie Uddiyana Bandha für mich mehr Netz als Verschluss, denn auch hier soll die Energie ja weiter fließen und – du ahnst es – nach oben, das allerdings möglichst kontrolliert. Die Muskeln, die wir aktivieren, um Jalandhara Bandha zu setzen, sitzen in der Kehle und im Nacken. Jalandhara Bandha ist ein sanftes Bandha, das eher aus der Orientierung des Kopfs entsteht als aus Muskelkontraktion. Außerdem spielt die Zunge eine wichtige Rolle. Sie wird mit der Zungenspitze behutsam an den hinteren, oberen Gaumen gelegt. In Jalandhara Bandha strecken wir die Halswirbelsäule, legen das Kinn an das Brustbein und lassen die Energie aus dem Brustraum über Sushumna weiter nach oben steigen. Es wird meist in Pranayama verwendet, da mit dem Setzen von Jalandhara Bandha das Anhalten des Atems leichter fällt. Besonders ist hier, dass Jalandhara Bandha gut auch in den Atemfülle gehalten werden kann, dann also wenn du vollständig in den Brustkorb eingeatmet hast.
Jalandhara Bandha reguliert den Energiestrom zwischen Brust/Herz und Kopf. Es sorgt damit auf energetischer Ebene für Klarheit und Fokus. Solltest du einmal in einer herausfordernden Situation nicht wissen, was du sagen möchtest, gönn dir doch versuchsweise mal drei Atemzüge Jalandhara Bandha …
Maha Bandha
Der große Verschluss. Die drei Bandhas lassen sich gemeinsam setzen. In der Asana-Praxis ist das nicht immer möglich, während Pranayama aber eine wunderbare Methode, um die Energie zu lenken, Gewahrsam zu halten und tief in den eigenen energetischen Körper einzutauchen.
Maha Bandha braucht einige Übung. Es sind die vielen kleinen Details, die das Setzen der Bandhas zu einer fortgeschrittenen Praxis machen. Der Geist muss wach, klar und konzentriert sein, der Atem kontrolliert fließen und der Körper mit seinen Empfindungen, Grenzen und Möglichkeiten erfahrbar sein. All das braucht Übung, Geduld und Zeit – die sich aber mehr als lohnt. Maha Bandha ist in Pranayama großartig, aber auch in einigen Asanas gut umsetzbar.
Im Krieger I zum Beispiel. Mula Bandha gibt mir hier Stabilität, sorgt dafür, dass mein Becken gut ausgerichtet ist, und bringt mich in meine Mitte, überträgt die Kraft aus den Beinen ins Becken und weiter nach oben. Uddiyana Bandha sorgt dafür, dass mein Rumpf aufgerichtet und Lenden- und Brustwirbelsäule gestreckt sind. Außerdem erfahre ich einen großen Raum im Brustkorb, wenn meine Arme Richtung Himmel zeigen. Setze ich dann noch Jalandhara Bandha, ist es das i-Tüpfelchen. Mein Nacken ist lang, mein Kopf sauber über dem Becken ausgerichtet. Meine Gedanken ruhig & weit. Die Atemleere zwischen Aus- und Einatmen ist dann ein Moment des vollkommenen Gewahrseins – in diesem Moment, in dieser Haltung. Ein Moment, in dem Prana fließt und ich ganz bei mir sein kann.
Yoga ist Energiearbeit

Prana ist unsere Lebensenergie, die im Atem unmittelbar spürbar ist. Durch das Lenken und Klären von Prana können wir körperliche, mentale und energetische Ungleichgewichte ausbalancieren. Dabei sind die Bandhas eine Möglichkeit, auf der energetischen Ebene und damit auf Prana einzuwirken. Für eine ganzheitliche Yogapraxis sind sie deshalb absolut wertvoll!
Die meisten von uns, mich eingeschlossen, starten Yoga ganz auf der körperlichen Ebene. Der Rücken zwickt, die Beinrückseiten sind verkürzt, der Körper fühlt sich müde und kraftlos an. Vollkommen okay und nachvollziehbar. In den ersten Yogastunden fließt die Aufmerksamkeit eben dann auch ziemlich genau in diese Ebene – in den Körper. Allmählich aber, wenn der Körper weicher und geschmeidiger wird und nicht mehr so sehr nach Aufmerksamkeit schreit, eröffnet sich eine neue Ebene, die in der Yogapraxis besonders schön sichtbar wird. Über den Atem gelangen wir in unsere Energiehülle und mit Hilfe der Bandhas können wir nun auch hier wirken und unsere Yogapraxis sanft verfeinern, selbstwirksam sein und auf ein neues Level heben – Erleuchtung nicht ausgeschlossen :-).


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