It’s a woMans world
- Christina

- 9. Juli
- 8 Min. Lesezeit
Der Yogakurs - ein Raum für jederman(n) und jede Frau und alle dazwischen und sonst irgendwo.
Yoga ist für alle da - absolut!

Es gibt so viele unterschiedliche Stile, Levels, Methoden, Herangehensweisen und noch mehr Yogalehrende die alle aus den einzelnen Stilen und Methoden ihr eigenes Ding machen, so dass es unmöglich ist dem Yoga (so wie wir ihn hier praktizieren) eine universelle und allgemein gültige Definition zu geben. Und das ist auch absolut ok so. Mehr noch!Es macht Yoga eben genau zu dem besonderen und machtvollen Instrument, mit dem alle Menschen unabhängig von Hautfarbe, Nationalität, Kultur, Herkunft, Geschlecht, unabhängig von körperlicher Verfassung und Fitness, Beweglichkeit, ob gesund oder krank, alt oder jung, spirituell oder nicht, suchen und finden können, was zu ihnen passt.
Yoga ist für alle da
So lese und interpretiere ich yogische Schriften, so lebe ich Yoga & so lehre ich Yoga in meinen Kursen. Und lange gab es aus diesem Grund einfach auch nur einen Kurs uneingeschränkt für alle, ohne Ausnahme - ohne spezifische Ausrichtung und ohne Menschen ein- oder auszuschließen.
Und jetzt biete ich einen Kurs für Männer an? Wie das zusammen passt? Die Antwort findest du in diesem Blogbeitrag!
Ehrlich gesagt, war’s am Anfang einfach nur Zufall. Kein Plan. Keine Strategie. Kein offensichtliche Notwendigkeit - zumindest nicht auf den ersten, meinen ersten, Blick. Ich habe einfach nur einen neuen Kurs gestartet. Aber plötzlich war alles anders…!
Wenn sonst die meisten Teilnehmenden meiner Kurse weiblich sind, vielleicht hier und da mal ein männlich gelesenes Wesen mit dabei ist, war es diesmal also genau anderes herum. Ein fester Kurs mit genau einer weiblichen Teilnehmerin! Eine bemerkenswerte Situation, die ich zuerst einfach als untypisch registrierte ohne daran etwas zu ändern, oder gar länger darüber nach zu denken. Es war eben einfach nur anders als sonst - nichts weiter.
Das daraus die Idee einen Yogakurs nur für Männer anzubieten wachsen sollte, habe ich so nicht kommen sehen.
Yoga ist für alle - klar - das gilt und genau so sehe ich das auch noch immer.
Yogakurse zu differenzieren macht natürlich ab und an Sinn. Zwischen Yogastilen (Hatha oder Yin), zwischen der Intensität und den Vorerfahrungen (Beginners oder nicht) oder auf Grund von Einschränkungen (Yoga für den Rücken, warum das eine gute Idee ist, lies gern hier nach). Niemals aber wäre ich von mir aus auf die Idee gekommen einen Kurs für nur ein Geschlecht anzubieten - warum auch, sind doch die Methoden die gleichen und Menschen eben einfach Menschen.
HAPPY YOGA VIBES
All meine Yogakurse haben eine feste Anzahl an Terminen, es sind also keine klassischen Drop-in Klassen wie in den meisten Yogastudios, in denen man entscheiden kann ob und wann man kommt. HAPPY YOGA ist eben auch kein klassisches Yogastudio, sondern gelebte Yogaphilososphie und die Kurse sind ein (großer) Teil davon.
In einem HAPPY YOGA Kurs bleiben die Teilnehmenden für die Dauer des Kurses in einer festen Gruppe zusammen. Dabei bildet sich eine eigene Dynamik mit festen Abläufe und Ritualen, die die Gruppe trägt und die immer wieder anders ist und mich manchmal überrascht und immer fasziniert. Dabei ist jede Gruppe anders und ich kann vorher nie sagen, wie es sein wird. Das einzige was ich immer spüre ist, dass es eine gute Dynamik ist, ein respektvolles und offenes Miteinander. Yoga führt die Menschen für diesen Zeitpunkt an genau diesem Ort zusammen. Gerade wenn wir gemeinsam meditieren spüre ich eine wundervolle, positive und wohlwollende Energie.
Und genau so war es auch diesmal. Es gab diese besondere Abläufe und Rituale, ein offenes Miteinander und die Gruppe und ich mit ihr spielten sich mit jedem neuen Termin ein. Alles so wie immer, oder? Tatsächlich nicht ganz. Die Stunden hatten ihren ganz eignen Spirit. Die Energie im Raum, das Miteinander und tatsächlich auch mein Art des Unterrichtens waren anders im Vergleich zu den anderen Kursen.
Es wurde wahnsinnig viel gelacht, geächzt und gestöhnt - gerade bei Übungen die Strukturen dehnen die bei vielen Männern verkürzt sind. Es war auch nicht ganz so leise, wie ich es aus den andern Kursen gewohnt war. Anfangs hat mich das irritiert - sehe ich es doch als Aufgabe die Teilnehmenden meiner Kurse in den Augenblick und in die Wahrnehmung des eignen Körpers zu begleiten. Wenn dabei gequatscht und gelacht wird ist das unmöglich. Es dauerte ein bisschen bis ich meine Art des Umgangs damit fand und nun reiten wir auf den Wellen zwischen laut und leise, lustig und andächtig und genau daraus entsteht diese neue, andere Energie.
Es dauert nicht lange, bis die Yogis sich austauschten, über ihre Erfahrungen, über ihre Bedürfnisse und Beschwerden und auch darüber warum sie in diesem Kurs sind. Dabei blitzte so einiges durch, worüber ich mir niemals Gedanken gemacht habe und woraus die Notwendigkeit für einen reinen Männerkurs entstanden ist.
Aber warum ist das so?
Ich will absolut keine Stereotypen bedienen und halte nichts von rosa-hellblauen Schubladen. Überhaupt nicht. Anerzogene Geschlechtsmerkmale stehe ich sehr kritisch gegenüber. Rosa Strampler, Prinzessinnen-Ü-Ei oder das Schminkset für Kindergarten-Kinder sucht ihr bei meinen Mädels vergebens. Wir versuchen unsere Kids so frei und neutral wie möglich zu begleiten und eben nicht in Rollen zu drücken die einerseits für mehr Umsatz in den Läden sorgen (schlimm genug) und anderseits ein Machtgefälle im Erwachsenenleben aufbauen (schlimmer!).
Klar, die absolute Mehrheit* der Menschen kommen mit einem definierten biologischen Geschlecht auf die Welt, also mit einem entsprechenden Chromosomensatz für männlich (xy) oder weiblich (xx), haben dementsprechend die passenden primären Geschlechtsorgane und produzieren im Laufe ihres Erwachsenwerdens die „passenden“ Sexualhormone die die zur Entwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale führen. Ein biochemischer Vorgang der sich im Laufe der Menschheitsentwicklung ausgebildet hat und den ich ganz Wissenschaftlerin sehr gut verstehe und super spannend finde. Die Macht der Gene und der Hormone ist beeindruckend führt hier aber echt zu weit.
Und ja es gibt auch Menschen bei denen nicht ganz klar ist zu welchem Geschlecht sie gehören (wenn wir in binären Rollen denken). Gleich zu Beginn - von Geburt an, auf Basis der primären Geschlechtsmerkmale, oder auch später in der Pubertät, dann wenn die Hormone ihren Beitrag leisten. All das hat allerdings wenig mit anerzogenen Geschlechtsmerkmalen zu tun. Denn die wirken aus der Gesellschaft heraus in der wir leben, sind weder Genetik noch Hormone, stecken Menschen in Schubladen, schreiben ihnen Verhaltensweiten zu. Üben. Macht. aus.
Sie sorgen dafür das Menschen sich nicht aus ihrem tiefen Bedürfnis heraus entscheiden Dinge zu machen oder sie zu lassen. Anerzogene Geschlechtsmerkmale sind geschlechtsspezifische Attribute die einer Kultur entsprechender anerzogen werden und die die Menschen, die in ihr leben prägen. Sie formen Rollenbilder und nehmen den Einzelnen die Möglichkeit sich wirklich frei zu entscheiden. Das gilt für Frauen. Und für Männer.
Okay. Ich bin etwas abgeschweift. Gebe ich zu. Ist gerade aber mein Thema, das mit dem anerzogenen Schubladen-Dasein und dem Umgang damit.
Und ehrlich gesagt, ist es auch ein Stückweit die Erklärung warum es nun einen Männerkurs gibt.
MÄNNLICHER UMGANG MIT STRESS
Männer gehen (Schubladen-Dasein sei Dank) anders mit Stress und Überforderung** um. Die meisten haben in ihrer Kindheit eine männliche Prägung erfahren und erfahren auch heute, dass sie nach männlichen Attributen bewertet werden. Stärke, Führungskompetenz, Unabhängigkeit, Wettbewerbsorientierung, Durchsetzungsvermögen und Rationalität sind Eigenschaften die es schwer machen sanft, einfühlsam und offen mit sich (und anderen) zu sein. Es gibt zahlreiche Untersuchungen die zeigen, dass Männer nicht wirklich gut dazu in der Lage sind ihren Körper wahrzunehmen*** und Stresssignale zu erkennen. Sie machen immer weiter und gehen wieder und wieder über ihre Grenzen hinaus, haben nicht gelernt, dass Schwäche-zeigen eine Stärke ist.
Im Gegenteil.
Viele Männer tragen noch immer die finanzielle Haupt-Verantwortung für ihre Familien und übergehen Stresssymptome wieder und wieder, weil es (scheinbar) keine Alternative gibt.
Darüber reden können die wenigsten, haben sie ja auch nicht gelernt (Achtung: Schublade), Methoden mit Stress umzugehen kennen die wenigsten, brauchen sie ja auch nicht, denn schwach sind sie nicht, körperlich nicht und mental schon mal so überhaupt nicht. Und im Zweifel gibt’s dann einen anderen Umgang mit Stress, einen sehr ungesunden…. Auch hier gibt es zahlreiche Studien die zeigen, dass Männer ein höheres Suchtpotential haben****.

Mir geht es hier nicht darum, Männern eine Opferrolle zu kommen zu lassen, ganz und gar nicht. Mir geht es darum, eine Gleichberechtigung zu beschreiben. Es wird und wurde viel geschrieben über uns Frauen und der Kampf den wir kämpfen müssen. Diesen Kampf könne wir ohne die Männer aber nicht schaffen. Die meisten Männer haben nämlich ziemlich wenig von den anerzogenen Schubladen.
Und genau hier greift der Männerkurs.
Ich durfte lernen, dass die Jungs im Männerkurs ganz explizite Bedürfnisse haben und sich in anderen Settings unwohl fühlen, ja gar nicht erst hingehen würden. Dafür gibt es verschiedene Gründe, allen voran aber negativen Gefühlen wie Scham und Unzulänglichkeit. Das Vorurteil, dass in Yogaklassen nur schlanke, sehr bewegliche Frauen zu finden sind hält sich hartnäckig und mag auch für einige Yogastudios zutreffen. Aber selbst wenn es den Männern nicht darum geht, vielleicht der einzige Mann in einem Kurs zu sein, so ist es die Angst nicht mithalten zu können (Spoiler: auch wenn es schwer fällt - Yoga hat nichts mit Leistung, Vergleich und besonderen Fähigkeiten zu tun), die vielen männlichen Wesen davon abhält Yogaklassen aufzusuchen. In einem Yogakurs für Männer fällt diese erste Hemmschwelle - der Vergleich zu viel beweglicheren (oft weiblichen) Menschen. Die Teilnehmenden berichten auch davon, dass sie sich anders fallen lassen können, wenn sie unter sich sind, sie äußern ihre (körperlichen) Grenzen und formulieren Wünsche für die Stunden, bringen ihre Themen mit (Ich sag nur: kurze Beinrückseiten!!!) und widmen sich ihrer Form der Selbstfürsorge.
Klar, könnte man einfach sagen, all das können sie doch auch in einem Yogakurs in dem alle Geschlechter vertreten sind - stimmt ja auch. Trifft aber nicht für alle Männer zu. Für manche Männer ist es überhaupt kein Problem (und die kommen ja auch tatsächlich in die Hatha Kurse) das gilt jedoch nicht für alle. Die, die speziell in den Männerkurs kommen, profitieren von dem geschützten Raum, den angepassten Übungen und der Energie die herrscht. Ich als weibliche Yogalehrerin bin da vielleicht (oder wohl ganz offensichtlich) nicht die Optimal-Besetzung. Ja vielleicht wäre ein Mann stimmiger. Trotzdem lass ich mich auf die Konstellation ein und lerne für mich und mit den Jungs eine Menge. Über Anatomie und männliche Yoga-Bedürfnisse. Über Sichtweisen und auch über mich. Denn ganz ehrlich, mein Unterrichten in der Jungsrunde ist lustig und hat eine besondere Energie, einen eigenen Wellengang, eine Flow der neu für mich ist und in dem ich einen Teil von mir leben kann, der vorher noch keinen Raum hatte.
„Tell me and I forget. Teach me and I remember. Involve me and I learn.“ – Benjamin Franklin
Auch wenn die Gründe warum die Jungs einen Yogakurs besuchen die gleichen sein mögen, wie bei alle Menschen. Und auch wenn die Methoden exakt die gleichen sind - es ist eine andere Energie, eine andere Form der Achtsamkeit, eine andere Stille.
Ein Blick über meine Grenzen
Mit dem reinen Männerkurs trenne ich mich von meinem inneren Credo „Ein Kurs für Alle“ und biete einen exklusiven Kurs an. Einen Kurs also, der eine Gruppe einschließt und damit (viele) andere ausschließt. Und das geht nur, weil es ein Kurs von vielen ist. Und die anderen Kurse bei HAPPY YOGA offen sind. Offen für Alle. Und genau das ist es, was den Yoga so besonders wertvoll macht. Es ist eine Methode die für alle funktionieren kann, denn eine jede, ein jeder kann den passenden Rahmen, den passenden Kurs, den passenden Yoga Stil für sich finden.
Ob es weitere exklusive Kurse geben wird weiß ich nicht. Der Rücken-Kurs ist eine reine Frauenrunde und wird es auch bleiben (auch wenn ich es nicht öffentlich so ausformuliere). Vielleicht stolpere ich auch in andere Notwendigkeiten. Wenn dem so ist, lass ich es euch wissen. Denn Veränderungen sind gut. Neue Erfahrungen zu sammeln ebenso. Und wenn beides zusammenkommt, die neue Erfahrung die eine Veränderung in Gang setzt, hey Leute, dann sind wir doch ganz nah dran am Glück.
Studien
* Der deutsche Ethikrat nennt einen Anteil von 0,02 % bis 1,7 % der Bevölkerung, die mit intergeschlechtlichen Merkmale geboren werden (bei 83 Mio. Einwohnern in Deutschland bedeutet das schätzungsweise 16 600 bis 1,4 Mio. betroffene Personen).
**Die Studie zeigt, dass Männer stärker unter chronischem Stress leiden, da ihre Bewältigungsstrategien weniger effektiv waren.
Pérez, J. I., & Matud, M. P. (2023). Gender, Stress, and Well-Being in Adulthood. Journal of Clinical Medicine, 12(1), 110. https://doi.org/10.3390/jcm12010110
*** Die Studie zeigt, dass Frauen Symptome wie Schmerz oder Unbehagen stärker wahrnehmen und Körper und Emotionen besser verknüpfen können.
Grabauskaitė A, Baranauskas M, Griškova-Bulanova I. Interoception and gender: What aspects should we pay attention to? Conscious Cogn. 2017 Feb;48:129-137. doi: 10.1016/j.concog.2016.11.002. Epub 2016 Nov 17. PMID: 27866005.
**** Laut der „Deutschen Erwachsenen Gesundheitsstudie“ (DEGS‑2) hatte im letzten Jahr (2024) jeder sechste Mann (18,4 %) ein relevantes Alkoholproblem (Missbrauch oder Abhängigkeit), während dies nur bei 3,9 % der Frauen der Fall waren
Klein, M. (2024). Männer, Männlichkeit, Sucht: Zusammenhänge, Risiken, Hilfen. SUCHT, 70(6), 311–320. https://doi.org/10.1024/0939-5911/a000899


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