Beeinflußt yoga undser Immunsystem?
Eine wissenschaftliche studie liefert faszinierende Antworten!
Das Immunsystem des menschlichen Körpers ist beeindruckend! Es ist unser Abwehrsystem und besteht aus einem komplizierten und bis heute nicht vollständig erfassten Netzwerk aus Botenstoffen, Zellen, Organen und Gefäßen. Es ist beeindruckend komplex und beeindruckend mächtig, denn gerät es aus der Balance kann es zu einem ernsten Problem für den Körper werden.
Autoimmunerkrankungen (1)sind ein Beispiel für ein aus der Balance geratenes Immunsystems. Die Abwehrreaktionen des Körpers richten ihre mächtigen Werkzeuge dann nicht mehr gegen Krankheitserreger von außen, sondern gegen das körpereigene Gewebe. Theoretisch kann dabei jedes Gewebe, jedes Organ betroffen sein - von der Haut bis zu den Gelenken oder dem Darm. Eine der häufigsten Autoimmunerkrankungen, bei der die Gelenke betroffen sind, ist die rheumatische oder rheumatoide Arthritis (2) (abgekürzt: RA).
Menschen die an RA leiden, wissen wie es sich anfühlt, wenn die Zellen und Botenstoffe des Immunsystems aus der Balance geraten sind. Die gegen den Körper gerichtete Entzündung (Autoimmunität) führt zu Gelenkschmerzen, einer starken Schwellung der betroffenen Gelenke und einem Abbau des Gelenkgewebes. All das führt zu mitunter heftigen Schmerzen und schränkt die Beweglichkeit nachhaltig massiv ein. Bei besonders schlimmen Verläufen versteifen Gelenke komplett und auch innere Organe, wie die Lunge, können angegriffen werden. Weitere Symptome wie ein allgemeines Krankheitsgefühl, Müdigkeit und Appetitlosigkeit haben darüber hinaus drastische Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen. Ein Leben ohne Schmerztherapie und anti-entzündliche Medikamente ist oft nicht möglich – eine Chance auf Heilung ebenfalls nicht.

Komplementäre Therapieansätze (3), als Ergänzung und Erweiterung der schulmedizinischen Therapie, sind in vielen Kliniken und Therapiezentren inzwischen etabliert und spielen gerade bei der Behandlung von chronischen Erkrankungen eine wichtige Rolle. Häufigstes Ziel der komplementären Methoden ist es, die Lebensqualität der Betroffenen zu erhöhen und sie mental und körperlich zu stärken. Yoga ist eine etablierte Methode der Komplementärmedizin und wird immer häufiger auch in der Arthritis-Therapie eingesetzt. Die Vorteile einer regelmäßigen und an die Symptomatik angepassten Yogapraxis liegen auf der Hand: der Erhalt der Beweglichkeit durch eine Reduktion der Gelenksteifheit, die Förderung des Bewegungsgefühls, sowie die Linderung von Schmerzen und Erschöpfung durch Atemübungen, Entspannungs- & Meditationstechniken.
Eine neue und spannende Studie hat nun gezeigt, dass Yoga nicht nur die Symptome bekämpft, sondern direkt auf das Immunsystem von Menschen mit RA einwirkt, also einen immunmodulatorischen Effekt hat!
Aber was heißt das genau?
Bei der RA führt das fehlgesteuerte Immunsystem zu massiven Entzündungen, dem Abbau von Gewebe und damit einhergehenden Schmerzen und einer Versteifung der Gelenke. Verantwortlich für die Entzündungen innerhalb der Gelenke sind Immunzellen der spezifischen Immunabwehr, die T-Zellen oder T-Lymphozyten (4). In unserem Körper gibt es verschiedene T-Zell-Gruppen, diese Gruppen werden auch Zellpopulationen genannt. Für die T-Zellpopulationen gilt: sie regulieren sich gegenseitig. Und das ist besonders wichtig, denn es gibt T-Zellen mit entzündungsfördernder Funktion (pro-entzündlich), aber eben auch Populationen mit entzündungshemmender oder anti-entzündlicher Wirkung. Wichtig dabei ist eine feinjustierte Balance zwischen den beiden T-Zellpopulationen aufrechtzuerhalten. Bei der RA fehlt nun genau diese Balance und es kommt zu einer drastischen Vermehrung von T-Zellen mit pro-entzündlichem Charakter (den sogenannten Th17-Zellen) und einem Rückgag an T-Zellen mit entzündungshemmenden Charakter (den sogenannten regulatorischen T-Zellen). Diese Dysbalance führt zu der unkontrollierten, chronischen Entzündung innerhalb der Gelenke, einem Abbau des Gewebes und eben auch zu allen Nebensymptomatiken der RA.
yoga als komplementärer therapieansatz
Nun haben Wissenschaftler*innen eine randomisiert-kontrollierte Studie (5) in einer bekannten und angesehnen Fachzeitschrift (Science Reports) veröffentlicht, die sich mit der Frage beschäftigt, wie sich eine regelmäßige, an die Erkrankung angepasste Yogapraxis (6) auf das Immunsystem der Betroffenen auswirkt. Genau wie üblich bei neuen medikamentösen Therapieansätzen wurde das Immunsystem der Studienteilnehmer*innen vor und nach der Therapie analysiert. Die Therapie bestand in diesem Fall nur eben in einer spezifischen Yogapraxis. Vor Beginn der Studie wurde allen Teilnehmer*innen (7) Blut abgenommen und ein Basiswert wichtiger Entzündungsmarker (8) und der Immunzellen, genauer der T-Zellen (4), bestimmt. Anschließend wurden sie in 2 gleich große Gruppen unterteilt. Eine Gruppe praktizierte für 8 Wochen ein an die Erkrankung angepasstes Yogaprogramm, die andere Gruppe nicht. Nach Ablauf der 8 Wochen erfolgte eine weiter Analyse der Entzündungsmarker und der T-Zellen.

Das Ergebnis ist wirklich beeindruckend: Die Yoga Gruppe weist eine signifikante (statistisch gesicherte) abgeschwächte Entzündung und eine ausbalanciertes T-Zell-Verhältnis auf. Es können mehr regulatorische Zellen gemessen werden, also genau die Zellen die eine entzündungshemmende Wirkung haben. Und auch die Botenstoffe mit anti-entzündlicher Wirkung sind vermehrt messbar. Yoga hat somit nicht nur einen positiven Einfluss auf die Beweglichkeit und die Lebensqualität bei Menschen mit Arthritis, sondern wirkt sich direkt positiv auf den Krankheitsverlauf aus, indem es die Entzündung gegen den eigenen Körper dämpft.
Die Wissenschaftler*innen empfehlen Yoga als komplementären Ansatz in der Arthritis-Therapie. Ob Yoga auch bei anderen (Autoimmun-)Erkrankungen ein immunmodulierendes Potential hat, ist noch nicht erforscht. Es bleibt also spannend. Klar ist allerdings, dass es gute und an wissenschaftliche Standards angepasste Studien braucht, um den Effekt von Yoga auf den Verlauf einer Krankheit zu untersuchen. Und die Studie der Wissenschaftler*innen ist ein sehr gutes Beispiel!
Welche Yogapraxis ist für Menschen mit Rheumatischer Arthritis geeignet?
Welche Yogapraxis für Betroffene gut geeigent ist, lässt sich tatsächlich nicht so einfach und pauschal beantworten, denn jeder Krankheitsverlauf ist unterschiedlich. Die Antwort ist stark abhängig davon, welche Gelenke betroffen sind, wie der Schweregrad der Erkrankung ist und hängt maßgeblich auch von der Tagesform der Betroffenen ab. Was heute noch geht ist vielleicht morgen unmöglich, denn die RA verläuft in Schüben!
Sicherlich geeignet ist eine sanfte Yogapraxis, mit Entspannungseinheiten, langsamen und ruhigen Asanas, Atemübungen und Meditation. Eine achtsame Bewegung der Gelenke erhöht den Stoffwechsel und Flüssigkeitsaustausch innerhalb der Gelenke, es wird vermehrt Gelenkschmiere produziert und damit die Beweglichkeit verbessert. Eine gezielte Stärkung der Muskulatur, das Lösen von Muskelspannungen im gesamten Körper und damit die Verbesserung des Wohlbefinden bieten sich ebenfalls an. Die Gelenksteifheit zeigt sich bei Betroffenen oft in den Morgenstunden oder nach langen Bewegungspausen. Es ist also auch eine Frage des richtigen Timings und eine individuelle Herangehensweise ist gefragt.
Offene und große Yogakurse sind für Menschen mit RA nicht gut geeignet. Kleine Gruppen, Einzelstunden oder Kurse speziell für Betroffene hingegen sehr!

Wichtig! In aktiven Schüben sollte niemals körperbetontes Yoga praktiziert werden, Entspannungsübungen und Meditation, sowie ausgewählte und sanfte Atemübungen hingegen können innerhalb eines Schubes den betroffenen Menschen helfen und Schmerzen lindern.
Folgende Asanas bieten sich für alle Menschen mit rheumatischer ARTHRITIS an:
Makarasana – das Krokodil (ggf. Knie mit Kissen/Bolster stützen)
Apanasana – Knie zu Stirnhaltung
Sanfte Mobilisierung von Hand-, Fuß- & Kniegelenken
Sanfte Mobilisierung der Wirbelsäule (Sufikreise, u.a.)
Trikonasana – das Dreieck (ggf. mit einem Klotz unter der Hand)
Auch der Einsatz von Hilfsmitteln bietet sich bei der Yogapraxis für Menschen mit RA an! Bolster, Kissen, Decken und Klötze können als stabilisierendes Element wunderbar eingesetzt werden, um die Praxis so sanft und schonend wie möglich für die Betroffenen zu gestalten.
IN BALANCE - YOGA REGULIERT UNSER IMMUNSYSTEM
Nun weist die vorliegende Studie auf das immunomodulatorische Potential von Yoga bei rheumatischer Athritis hin, wie es hingegen für andere Autoimmunerkrankungen aussieht ist bis heute noch noch nicht erforscht.
Das nun gerade die rheumatische Athritis als erste Autoimmunerkrankung in den Fokus der Forschung geraten ist, mag verschiedene Gründe haben. So gehört die RA einerseits zu den häufigsten Autoimmerkrankungen, auch im Hinblick auf Yoga als therapeutisches Mittel zur Symptombekämpfung. Andereseits ist das Zusammenspiel der beteiligten Zellen und Komponenten des Immunsystem während des Krankheitsgeschehens gut erforscht - eine Basis auf der Forschende aufbauen können.
Außerdem leiden Menschen mit rheumatischer Arthritis an starken Beschwerden im Muskel-Skelett-System. Dass Yoga einen positiven Einfluss auf den Bewegungsapparat und damit auf die körperlichen Symptome von Athritis Patient*innen (Gelenksteufheit, Bewegungseinschränkung) hat, aber auch auf mentaler Ebene (Müdikeit, Abgeschlagenheit) positiv wirkt, konnte bereits mehrfach gezeigt werden. Das die Benefits einer an die Erkankung-angepassten Yogapraxis aber bis in die Modulation und Regulierung des Immunsystems reichen können ist neu und eine faszinierende Erkenntnis, die als Startpunkt für eine neue Sicht auf Yoga als therapeutische Methode in der komplementären Medizin gesehen werden.
Und auch wenn es sich bei der rheumatischen Athritis um eine spezifische Erkrankung handelt, so lässt sich an diesem konkreten Beispiel die Wirkung einer regelmäßigen und angepassten Yogapraxis auf unser gesamtes Immunsystem in einem größeren Kontext ableiten.
Yoga hat die Kraft das Immunsystem auszubalancieren und zu regulieren!
Denn auch wenn es Stand heute so gut wie keine (guten) Studien zum Einfluss von Yoga auf die molekulare und zelluläre Ebene unseres Immunsystems gibt, so zeigt die vorliegende Studie doch eindrucksvoll, dass durch eine Yogapraxis das Gleichgewicht zwischen Zellen und ihren Botenstoffen in unserem Immunsytem wiederhergestellt werden kann. Ob das auch bei andern Autoimmunerkranungen der Fall ist bleibt erstmal offen - es bleibt also spannend!
Du hast Fragen oder möchtest mehr erfahren? Ich freue mich auf eine Mail von dir in meinem Postfach!
Darüber ob und wie Yoga sich auch auf andere Autoimmunerkrankunen auswirkt habe ich mich Eva Kopel von der Zeitschrift Yoga Aktuell unterhalten. Das gesamte Interview zum Thema "Yoga & Autoimmunerkrankungen" findest du hier:
Glossar
(1) Autoimmunerkrankungen
Überbegriff für Erkrankungen bei welchen sich die körpereigene Abwehr, das Immunsystem, gegen den eigenen Körper richtet. Betroffen können alle Gewebe und Organe sein. Allen Autoimmunerkrankungen gemein ist, dass eine ursächliche Behandlung oft schwierig bis unmöglich ist und die Betroffenen demnach ein Leben lang leiden und die Therapie ausschließlich in der Symptombekämpfung liegt. In Deutschland gehören Autoimmunerkrankungen zu den häufigsten chronischen Erkrankungen - mit steigender Tendenz. Oft sind Autoimmunerkrankungen in der Ursache multifaktoriell, d.h. verschiedene Faktoren führen einem fehlgeleiteten Immunsystem und damit zur Krankheitsentstehung. Zu den häufigsten Faktoren gehören: genetische Prädisposition (Veranlagung), Umweltschadstoffe und Krankheitserreger. Aber auch die Ernährungsweise und der persönliche Lebensstil können bei der Entstehung eine Rolle spielen.
(2) Rheumatische Arthritis
Etwa 2,6% der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland haben eine entzündlich-rheumatische Erkrankung. Dies entspricht ca. 1,8 Millionen Betroffenen (Quelle: Rheuma in Zahlen (dgrh.de)). Die häufigste Form ist die rheumatoide (oder rheumatische) Arthritis.
Rheumatische Arthritis, Arthrose und Gicht sind die häufigsten Gelenkerkrankungen, haben allerdings alle eine andere Ursache.
Während die RA eine Autoimmunerkrankung ist, handelt es sich bei der Arthrose um den Verschleiß von Knorpel in den Gelenken. Gicht hingegen ist eine Stoffwechselerkrankungen bei der sich bestimmte Stoffe in den Gelenken ablagern (vor allem Harnsäure), was wiederum zu entzündlichen Reaktionen führt. Gelenkerkrankungen gehen oft mit starken Schmerzen einher, schränken die Beweglichkeit ein und führen dadurch auch für viele Betroffene zu mentalen Leiden.
(3) Komplementärmedizin
Die Komplementärmedizin wird parallel und unterstützend zur konventionellen (schulmedizinischen) Therapie eingesetzt. Dazu gehören verschiedene, ganzheitliche Methoden wie zum Beispiel: Naturheilverfahren, Bewegungs- und Atemtechniken, Entspannungsverfahren, die traditionelle chinesische Medizin, Ayurveda und eben auch Yoga.
Sie wird sowohl bei Krebserkrankungen als auch bei anderen Erkrankungen eingesetzt um die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern, das patient empowerment (Selbstwirksamkeit & eigenständiger Beitrag der Betroffenen zu Förderung der Genesung) zu fördern und Nebenwirkungen zu lindern.
Die Komplementärmedizin ist nicht zu verwechseln mit der Alternativmedizin. Die Alternativmedizin stellt per Definition eine Alternative zur Schulmedizin dar und wird nicht als Ergänzung angewendet. Die Methoden der Alternativmedizin können jedoch deckungsgleich mit denen aus der Komplementärmedizin sein.
(4) T-Zellen: Auch T-Lymphozyten. Es gibt 2 Hauptgruppen, die weiter in Subpopulationen unterteilt werden können. Für die Studie und die RA relevant sind T-Zellen vom Typ CD4-positiv. Zu den relevanten Subpoulationen im Krankheitsbild der RA gehören die Th17-Zellen und regulatorische T-Zellen, welche beide zu den CD4-positiven Zellen gehören.
Quelle
Die Aussagen aus diesem Blogbeitrag beziehen sich auf folgende Studie:
Gautam, S., Kumar, R., Kumar, U. et al. Yoga maintains Th17/Treg cell homeostasis and reduces the rate of T cell aging in rheumatoid arthritis: a randomized controlled trial. Sci Rep 13, 14924 (2023). https://doi.org/10.1038/s41598-023-42231-w
Studiendetails:
Folgende Informationen zu Studie sind wichtig und deshalb nachfolgend aufgelistet:
(5) Studiendesign: randomized controlled trial = randomisierte kontrollierte Studie. Sie gilt als Goldstandart der klinischen Studien, die auf eine eindeutige Studienfrage eine eindeutige Antwort liefern soll.
(6) Yoga Programm: Klassisches Yogapraxis mit Asanas, Pranayama, Meditation und Shavasana. 5 Einheiten pro Woche a 120 Minuten, angeleitet durch erfahrene und zertifizierte Yogalehrende. Für Betroffene mit deformierten Gelenken oder Versteifungen wurden alternative Asanas angeleitet und vermehrt Pranayama (Atemübungen) und Shavasana (Entspannung) praktiziert. Die Yogapraxis wurde kombiniert mit Beratungen zu Ernährung und Stressmanagement.
(7) Studienteilnehmer*innen (TN): mehr Frauen als Männer, da deutlich mehr Frauen als Männer betroffen sind. Alle TN wurden nach definierten Kriterien ausgewählt. Die Anzahl beträgt 32 TN in der Kontrollgruppe und 32 TN in Yoga-Gruppe.
(8) Entzündungsparameter: Folgende Zytokine (Botenstoffe) wurden im Rahmen der Studien als Enzündungsparamter analysiert: Interleukin-6, 10,17,
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